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Anleitung zum Greenwashing

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass folgende höchst bewährte Taktiken in der Kommunikation mit Kund:innen und Öffentlichkeit nicht von uns stammen, sondern sie weit verbreitet in der Fleisch- und Milchindustrie sind. Perfekt für beruhigende Nachhaltigkeits-Behauptungen in der ganzen Branche.

Taktik #1 Kreative Buchführung

Messung von Emissionen auf irreführende Weise, die ein Unternehmen klimafreundlicher wirken lässt, als es tatsächlich ist.

Beispiele:

Festlegen eines zukünftigen Referenzwerts (nach Belieben)

Neujahrsvorsätze in der Fleischindustrie

Einige Fleisch- und Molkereiunternehmen legen ihre Klimaziele auf der Grundlage einer „Business-as-usual“-Projektion für die Zukunft fest, anstatt die Emissionswerte der Vergangenheit als Grundlage für die Reduzierung ihrer Emissionen zu verwenden.

Das Basisjahr geschickt festlegen

Um aussagekräftig und messbar zu sein, müssen die Ziele für die Emissionsreduzierung auf einer „Basismenge“ beruhen, anhand derer die Fortschritte gemessen werden können. Normalerweise wählen Länder und Unternehmen ein Basisjahr, mit dem sie ihre Emissionen vergleichen, um die Treibhausgasverschmutzung zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist das Klimaziel der EU: Reduzierung der Emissionen um 55 % bis 2030 im Vergleich zu den EU-Emissionen im Jahr 1990 (das Basisjahr).

Die Unternehmen verwenden jedoch eine künftige Basislinie – ein cleverer Buchhaltungstrick – um zu prognostizieren, wie hoch die Umweltverschmutzung in zehn oder 15 Jahren sein wird, wenn sie ihre derzeitigen Praktiken anwenden, und arbeiten dann rückwärts.

Mit dieser „Greenwashing“-Strategie können die Unternehmen behaupten, sie hätten ehrgeizigere Klimaziele als sie tatsächlich haben. In Wirklichkeit sollte der wahre Maßstab für ihre Klimaziele darin bestehen, wie stark sie ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu den früheren Emissionen tatsächlich reduziert haben.

Kompensationen und Verrechnen von Emissionen

Fragwürdige Projekte weit weg als Kompensation – Moderner Ablasshandel

Viele große Unternehmen, darunter auch große Fleischunternehmen, erreichen ihre Klimaziele nicht annähernd dadurch, dass sie die Emissionen aus ihrer Geschäftstätigkeit reduzieren. Stattdessen kaufen sie CO₂-Zertifikate (auch bekannt als „Carbon Offsets“) von Dienstleistern, die durch Kompensationsprojekte Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen. Diese Projekte werden meist im Globalen Süden durchgeführt – das System gleicht daher modernem Ablasshandel. Zudem ist die Wirksamkeit vieler Projekte höchst umstritten.

Mit Zahlenschieberei wird also Verursachern ermöglicht, tatsächliche Emissionssenkungen zu umgehen oder zu verzögern. Stattdessen können sie sich die von anderen vorgenommenen Emissionssenkungen anrechnen lassen. Konsument:innen, die beim Einkauf etwas für den Klimaschutz tun wollen, werden dabei getäuscht: Es ist oft nicht ersichtlich, welches Unternehmen tatsächlich seine Produktionsbedingungen klimafreundlicher gestaltet und welches sich nur freikauft.

Mangelnde Transparenz, fehlende Informationen, keine Überprüfung der Daten

Nur einen Teil der Emissionen veröffentlichen

Klimaziele zu verkünden und Klimaneutralität zu behaupten liegt im Trend wie noch nie. Die öffentlich zugänglichen Daten zu den Unternehmensemissionen sind jedoch oft unvollständig oder nicht vorhanden. Selbst wenn Unternehmen ihre Emissionsdaten veröffentlichen, sind sie oft nicht zwischen Unternehmen oder Jahren vergleichbar, was es sehr schwierig macht, echte Fortschritte zu verfolgen. Die Unternehmen suchen sich aus, was sie berichten wollen, und in den meisten Fällen entscheiden sie sich dafür, den größten Teil ihrer Emissionen nicht offenzulegen.

Keine Kontrolle

Auch die Überprüfung der öffentlich gemeldeten Emissionen ist äußerst schwierig, da das Verfahren auf Selbstauskünften und einer unzureichenden Überprüfung der Fakten durch neutrale Dritte beruht. Dies macht es schwierig zu bestätigen, ob die Unternehmen ihre Emissionen tatsächlich so reduzieren, wie sie es behaupten.

Emissionen durch Tiere selbst werden nicht berücksichtigt

In der Viehwirtschaft stammen 90 % der Emissionen von den Tieren selbst. Die Emissionen dieser Tiere, die als Teil der Lieferkette eines Unternehmens gezählt werden, sind in den „Scope-3-Emissionen“ der Unternehmen enthalten, über die die meisten Fleischunternehmen nicht berichten.

Taktik #2 Techno-Fixes

Es geht nicht darum, etwas zu verändern, sondern glaubwürdig zu behaupten, dass künftige „grüne“ und „innovative“ Technologien die Emissionen so gut reduzieren können, dass die Industrie weiterhin (mehr) Fleisch und Milchprodukte produzieren kann.

Beispiele:

Biogas – Effizienz geht anders

Solange niemand nach Flächeneffizienz, Energieaufwand und Entsorgung fragt.

Die industrielle Viehwirtschaft behauptet, dass die Verwendung von Biogas, das bei der Aufzucht von Tieren für den Fleisch- und Milchkonsum entsteht, die Emissionen reduziert und „erneuerbare Energie“ erzeugt.

Auch wenn Biogas zum Antrieb von Fahrzeugen und zum Heizen von Häusern verwendet werden kann, wird bei seiner Verbrennung immer noch Kohlenstoff freigesetzt, so dass die Emissionen aus der Tierhaltung nicht vollständig beseitigt werden. Unternehmen zur Produktion von Biogas zu ermutigen, schafft den falschen Anreiz: Wenn Unternehmen Geld für die Produktion von Biogas erhalten, ist dies kein Anreiz für die Umstellung des Sektors, sondern fördert stattdessen die Fortsetzung der bisherigen Praxis.

Biogas aus Massentierhaltung?

Große Öl- und Fleischunternehmen behaupten gemeinsam, dass Biogas eine „erneuerbare“ Energiequelle ist. Sie nutzen Biogas in ihren Betrieben und behaupten, dass dies ihnen helfen wird, ihre Klimaziele zu erreichen. Doch Biogas aus der Massentierhaltung ist nicht erneuerbar – es schafft weiterhin Anreize für Massentierhaltung, die Umwelt schädigt, indem sie zu zahlreichen Problemen mit Luftverschmutzung, Entwaldung, Bodengesundheit und mehr beiträgt.

Methanreduzierende Futtermittelzusatzstoffe (wir ändern nur einen Pups)

Methan im Pups

Kühe setzen durch Rülpsen und Pupsen Methan frei, was auf die enterische Fermentation zurückzuführen ist – den Verdauungsprozess, den Wiederkäuer nutzen, um ihre Nahrung abzubauen. Dieses Methan trägt enorm zur Erwärmung der Atmosphäre bei.

Futtermittelhersteller und industrielle Fleischunternehmen behaupten, dass sie dank „innovativer“ Futtermittelzusätze die Methanemissionen bei der Fleischproduktion senken. Die Stoffe werden häufig dem Tierfutter beigemischt und können Antibiotika, Probiotika, Vitamine und Mineralien sowie speziell entwickelte Zusätze enthalten, die die Methanbildung während des Verdauungsprozesses verringern.

Bei der Verfütterung dieser Zusatzstoffe an Nutztiere behaupten die Unternehmen, dass sie auf dem Weg sind, ihr Fleisch „kohlenstoffneutral“ zu machen, „umweltfreundliches“ Fleisch zu produzieren, oder sie verwenden andere „grüne“ Formulierungen zur Beschreibung ihrer Produkte.

Mehr Tiere und weniger Pupse lassen die Treibhausemissionen trotzdem steigen

Wenn Fleischunternehmen Futtermittelzusätze verwenden, um jedes einzelne Tier „effizienter“ zu machen und weniger Methan auszustoßen, besteht für die Unternehmen möglicherweise ein Anreiz, ihre Fleischproduktion insgesamt und die Zahl der geschlachteten Tiere zu erhöhen. Diese Unternehmen behaupten dann, dass ihre Emissionen pro Tier niedriger sind als in den vergangenen Jahren und dass sie Fortschritte bei ihren Klimazielen machen – und das, obwohl sie weiterhin eine beträchtliche Menge an Treibhausgasen ausstoßen. Zudem befinden sich die meisten Futtermittelzusatzstoffe noch in der Entwicklung und können nicht in großem Umfang eingesetzt werden. Unternehmen, die mit der Verwendung von Futtermittelzusatzstoffen werben, preisen daher möglicherweise ihre potenzielle Emissionsreduzierung an bevor die Wirkung dieser Zusatzstoffe erwiesen ist.

„Präzisionslandwirtschaft“

Präzisionslandwirtschaft bringt garantiert Umsatzmillionen für die Tech-Branche

Das Versprechen der Präzisionslandwirtschaft besteht darin, dass die Erfassung und Analyse von Millionen von Datenpunkten die industrielle Tierhaltung effizienter machen kann – was bedeutet, dass jedes aufgezogene Tier in seinem Leben weniger Treibhausgase ausstößt – und weniger umweltschädlich ist.

Einsparung durch Präzision ist sehr gering

Präzisionslandwirtschaft findet jedoch oft am Rande der Landwirtschaft statt, d. h. Landwirte können kleine Fortschritte bei der Verbesserung der Tiergesundheit oder der Reduzierung der Emissionen aus der Tierhaltung erzielen. Um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzuwenden, sind jedoch erhebliche Senkungen der Treibhausgasemissionen erforderlich, die sich nicht durch Basteleien an den Rändern der Tierhaltung erreichen lassen.

Nur für Big Player: Umstellung auf moderne Technik

Die Präzisionslandwirtschaft ist außerdem auf teure Instrumente und Technologien angewiesen, die für viele Landwirt:innen unerschwinglich sind. Wenn sie diese Praktiken anwenden, tragen die Landwirt:innen in der Regel den größten Teil der finanziellen Investitionen und der Risiken, die mit der Umstellung verbunden sind – während die Unternehmen davon profitieren, dass sie Emissionsreduzierungen in ihren Lieferketten geltend machen.

Taktik #3 Herunterspielen der Klimaauswirkungen

Leugnen der industriellen Tierhaltung als einen der Hauptverursacher des Klimawandels und daher keine Übernahme von Verantwortung für sinnvolle Emissionsreduzierungen.

Beispiele:

Konzentration auf die Emissionsintensität (besonders clever)

Emissionsintensität statt Gesamtemissionen

Große Fleischunternehmen lenken von ihren Gesamtemissionen und Auswirkungen auf das Klima ab, indem sie sich auf die „Emissionsintensität“ konzentrieren. Die Emissionsintensität bezieht sich auf die Menge der Emissionen, die pro Kilogramm eines tierischen Produkts oder in wirtschaftlichen Einheiten freigesetzt werden.

Wenn ein Unternehmen seine Tiere effizienter aufzieht und verarbeitet – durch den Einsatz von Technologien, Futterzusätzen und anderen Maßnahmen – kann es behaupten, dass es „nachhaltigeres“ Fleisch und Milchprodukte produziert.

Eine FAO-Studie in Zusammenarbeit mit der Milchindustrie zeigt jedoch, dass eine geringere Emissionsintensität kaum dazu beigetragen hat, den Anstieg der Gesamtemissionen in diesem Sektor zu stoppen: Während die Emissionsintensität zwischen 2005 und 2015 um 11 % sank, stiegen die Gesamtemissionen der Milchwirtschaft im gleichen Zeitraum um 18 %. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Gesamtmenge der erzeugten und verarbeiteten Milch gestiegen ist.

Globale Viehwirtschaft wird bis 2030 fast die Hälfte des Emissionsbudgets verbrauchen

Mit dem Anstieg der Tierbestände steigen also auch die Gesamtemissionen. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen ist die Viehwirtschaft bereits für etwa 14,5 % der weltweiten Emissionen verantwortlich. Wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen, wird die globale Viehwirtschaft bis 2030 fast die Hälfte des weltweiten Emissionsbudgets für 1,5°C verbrauchen.

Die Quintessenz: Wir brauchen eine deutliche und absolute Reduzierung der Tierhaltung, um eine Klimakatastrophe abzuwenden.

Abwälzung der Schuld auf die Fossil-Industrie

Whataboutism

Viele Menschen bringen das Fleisch auf ihrem Teller oder die Milch in ihrer Tasse nicht mit der Klimakrise in Verbindung. Einige Fleisch- und Molkereikonzerne nutzen diese Lücke aus, indem sie die Auswirkungen fossiler Brennstoffe auf das Klima hervorheben, was den Tierhaltungssektor im Vergleich dazu besser aussehen lässt.

Allein die Landwirtschaft sorgt für 1,5°C Klimaanstieg

Untersuchungen zeigen jedoch, dass, wenn die globalen Lebensmittelsysteme so weitermachen wie bisher, der daraus resultierende Anstieg der Emissionen allein aus der Landwirtschaft wahrscheinlich zu einer zusätzlichen Erwärmung führen würde, die die Durchschnittstemperatur des Planeten auf über 1,5 °C ansteigen ließe.

Um die Treibhausgasemissionen schnell und drastisch zu senken und die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, muss der weltweite Viehbestand deutlich reduziert werden. Wenn sich der Sektor jedoch weiterhin vor der Verantwortung drückt, wird sich das wohl kaum ändern.

Stringende gesetzliche Vorgaben müssen die zahlreichen ökologischen und sozialen Auswirkungen der industriellen Tierhaltung regulieren und sicherstellen, dass Fleisch- und Molkereiunternehmen nicht alle Risiken des Übergangs auf die Landwirte abwälzen. Wir müssen weniger und besseres Fleisch essen, und die Landwirte innerhalb und außerhalb der Lieferketten der Unternehmen spielen eine entscheidende Rolle bei einem bewussten, gerechten Übergang weg von der industriellen Massentierhaltung und hin zu einer Tierhaltung, die für den Planeten und die Menschen gesund sind.

Keine Messung der Klimaauswirkungen

Was ich nicht weiß, macht andere nicht heiß.

Die großen Fleischunternehmen haben einen wirksamen Weg gefunden, um sich der Verantwortung für ihre Klimaauswirkungen zu entziehen: Sie messen sie einfach nicht und berichten nicht darüber: Fleischunternehmen spielen die Klimaauswirkungen ihrer Produkte herunter, indem sie einschränken, welche Aktivitäten zu ihren Emissionen zählen. Eine kürzlich durchgeführte Analyse der 50 größten Fleisch- und Molkereiunternehmen in Nordamerika und Europa zeigt, dass mehr als ein Drittel von ihnen ihre Nachhaltigkeitsziele nicht veröffentlicht hat, und nur 10 % haben ihre Scope-3-Ziele veröffentlicht.

Emissionen aus Futter und Lieferketten

Scope 3-Emissionen sind die indirekten Emissionen, die aus der Lieferkette eines Unternehmens stammen. Für große Fleischunternehmen würden Scope-3-Emissionen zum Beispiel die Produktion von Soja für Tierfutter und die Methan freisetzenden Rülpser ihrer Tiere umfassen. Steigt die Zahl der Tiere in einer Lieferkette, so steigen auch die Scope-3-Emissionen eines Unternehmens. Bei Unternehmen der industriellen Tierhaltung machen die Tiere in der Lieferkette 90-97 % ihrer Emissionen aus – diese Zahl wird jedoch nur selten freiwillig gemeldet und ist auch nicht gesetzlich vorgeschrieben.

Wenn Unternehmen nicht über den Großteil ihrer Emissionen Rechenschaft ablegen, verschwinden diese Treibhausgase nicht einfach – sie werden weiterhin in die Atmosphäre ausgestoßen, ohne dass Rechenschaft darüber abgelegt wird. Es ist unmöglich zu wissen, inwieweit die großen Fleisch- und Molkereikonzerne ihre Emissionen senken wenn wir nicht wissen, in welchem Umfang sie überhaupt zum Klimawandel beitragen.

Taktik #4 Strategisches Storytelling

Die Öffentlichkeit wird mit Erzählungen darüber überschüttet, dass industrielle Tierhaltung unsere besten Interessen – und die des Planeten – im Sinn hat.

Beispiele:

„Wir helfen den Landwirt:innen“

Old Macdonald has no Farm

Als Kind haben Sie vielleicht „Old Macdonald had a farm“ gesungen. Viele von uns denken beim Thema Tierhaltung immer noch an kleine Familienbetriebe. Große Fleisch- und Molkereikonzerne spielen mit dieser Verbindung, indem sie ihre Produkte in idyllischen Bildern von grünen Feldern und glücklichen Kühen verpacken. Die Realität sieht ganz anders aus: 23 Milliarden Hühner, 1,5 Milliarden Rinder, 1,2 Milliarden Schafe, 1 Milliarde Ziegen und 1 Milliarde Schweine leben weltweit in intensiven, industriellen Fabriken und Farmen.

Fotos von glücklichen Tieren

Die Industrie nutzt den Wunsch der Menschen aus, lokale LandwirtInnen zu unterstützen und tierische Produkte aus artgerechterer Haltung zu kaufen, und verwendet Bilder von Bäuer:innen als Marketingstrategie, um noch mehr Profit zu machen, während sie weiterhin billige Produkte aus Tierfabriken verkaufen.

Zerstörung von echten Familienbetrieben

Großkonzerne helfen Landwirt:innen nicht, sondern zerstören bäuerliche Existenzen: Die intensive Tierhaltung erfordert viel Futtermittel, was wiederum viel Land erfordert. So verschlingt der Anbau von Nahrungsmitteln für die industrielle Tierhaltung  ein Drittel der weltweiten Getreideproduktion und beansprucht etwa 40 % der weltweit für den Anbau von Kulturpflanzen verfügbaren Fläche. Das bedeutet, dass weniger Land für den nachhaltigen Anbau von Nahrungsmitteln für Mensch und Tier zur Verfügung steht. Untersuchungen zeigen, dass auf 400 Millionen Hektar Anbaufläche Futtermittel für die Viehzucht in einer Weise produziert werden, die mit dem Anbau von Nahrungsmitteln konkurriert.

Landwirt:innen sind in einem extraktiven System gefangen: Großkonzerne haben Lebensmittel zu einer Ware gemacht, was bedeutet, dass Bäuer:innen weniger Kontrolle über die von ihnen produzierten Lebensmittel haben und das liefern müssen, was der Markt von ihnen verlangt – anstatt Lebensmittel zu liefern, die gut für Mensch und Umwelt sind.

„Wir ernähren die Welt“

Wichtige Nährstoffe? Krankheiten durch gesättigte Fettsäuren

Die großen Fleischunternehmen wollen uns glauben machen, dass sie Menschen auf der ganzen Welt mit wichtigen Nährstoffen versorgen, darunter essenzielle Proteine, Mineralien und Vitamine. Sie argumentieren, dass sie diese Nährstoffe sehr effizient produzieren und dass ohne die industrielle Tierhaltung viele Menschen hungern würden.

Lebensmittel nicht gerecht verteilt

In Wirklichkeit wird jedoch ein Großteil der weltweiten Nahrungsmittel von Kleinbäuer:innen angebaut. Zudem produziert die Welt bereits mehr als genug Nahrungsmittel, um alle Menschen zu ernähren, aber es gibt erhebliche Probleme beim Zugang zu Nahrungsmitteln und bei der Verteilung auf der Welt. Ein Großteil der von uns produzierten Lebensmittel wird außerdem auf eine Art und Weise erzeugt, die schlecht für den Planeten ist, und beruht auf dem Einsatz von Düngemitteln, dem Versprühen von Pestiziden, der Abholzung von Wäldern und anderen umweltschädlichen Praktiken.

Flächen für Futtermittel statt Gemüsepflanzen

Schlimmer noch: Anstatt Hunger zu beseitigen mitverursacht die industrielle Fleisch- und Milchproduktion ihn: Der größte Teil von Mais, Weizen und Soja wird an Tiere verfüttert, anstatt an Menschen. Das Land könnte auch für den Anbau anderer Nutzpflanzen genutzt werden, die Menschen essen könnten.

„Fleisch essen ist Teil unserer Kultur“

Vom Sonntagsbraten zum täglichen Schnitzel

Die großen Fleischunternehmen nutzen ihr Marketing, ihre Websites und ihre Verpackungen, um die Vorstellung zu verstärken, dass der Verzehr von Fleisch und Milchprodukten in vielen Kulturen Tradition hat und für den Menschen lebenswichtig ist.

Diese Unternehmen verschweigen jedoch, dass wir zu keiner Zeit in der Geschichte der Menschheit Fleisch und Milchprodukte in solchen Mengen produziert und konsumiert haben wie heute. JBS, das größte Fleischunternehmen der Welt, schlachtet jeden Tag unglaubliche 13 Millionen Tiere – und das ist nur ein einziger Fleischproduzent.

Derzeit wird weltweit weit mehr Fleisch produziert, als die Menschen für eine gesunde Ernährung oder zur Wahrung ihrer Traditionen benötigen – und weit mehr, als der Planet sicher oder nachhaltig verkraften kann.

Normalisierung von Fleischkonsum

Aus Profitinteresse haben Unternehmen den hohen Fleischkonsum normalisiert, so dass er heute in vielen Kulturen selbstverständlich erscheint. Durch die Verwendung kultureller Argumente zur Rechtfertigung der weltweit steigenden Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten kann die Branche ihre fortgesetzte Expansion und ihren Vorstoß in immer mehr Länder rechtfertigen und ihre Produkte als unvermeidlichen Bestandteil jeder Ernährung zu Unrecht erscheinen lassen.

Taktik #5: Angeben mit Selbstverständlichkeiten

Selbstverständliches wie z.B. das Erfüllen gesetzlicher Auflagen oder die vollständige Angabe von Emissionen oder Inhaltsstoffen, eignen sich prima zum Werben für Produkte und Firma – natürlich ohne den Hinweis, dass es anders nicht (mehr) erlaubt wäre.

Beispiele:

„Unser Soja kommt nicht aus illegaler Abholzung“

Ambitionierte Ziele sind nur gesetzliche Mindeststandards

Hersteller tricksen gerne, um ihr Produkt besser aussehen zu lassen. Häufig ist dies sogar ganz legal ist und keine Behörde kann einschreiten. Foodwatch hat 2007 erstmals von „legaler Täuschung“ gesprochen. Als Beispiel hat Tönnies festgelegt, ab 2023 auf „Regenwald-Soja“ zu verzichten. Dabei war zu dem Zeitpunkt bereits absehbar, dass die Einfuhr von Produkten in die EU, die auf Entwaldung basieren, verboten wird. Tönnies wirbt also mit ambitionierten Zielen, hinter denen sich in Wahrheit lediglich die Erfüllung gesetzlicher Mindeststandards verbirgt.

Was ist Regenwald-Soja?

Daran ist schwierig, ab wann Soja als Produkt aus illegaler Abholzung deklariert wird. Denn de facto sind große Teile des Amazonas bereits abgeholzt. Wird Soja, welches 1-2 Jahre danach auf diesen Flächen angebaut wird, dann weiterhin verantwortlich für die Abholzung gemacht? Und was geschieht, wenn die Nachfrage nach Soja nicht direkt dort, sondern woanders zu weiterer Abholzung führt?

Vertreibung und Gesundheitsschäden der Bevölkerung in Südamerika

Es ist unfassbar komplex, diesen Fragen gewissenhaft nachzugehen. Doch das ist auch gar nicht so wichtig, denn selbst im besten Falle ist und bleibt Soja vom anderen Ende der Welt, welches nach Deutschland importiert wird um Tiere in einem grausames System industrieller Tierhaltung zu füttern, ein klimaschädliches Produkt. Die Flächen, die wir dadurch in anderen Ländern belegen, können weder für lokale Ernährung noch Renaturierung und Naturschutz verwendet werden. Rund 14 Millionen Menschen in Südamerika sind den negativen Folgen von Sojaplantagen für Futtermittel ausgesetzt. Allein in Paraguay wurden 2021 725 indigene Familien von ihrem Land vertrieben. Zudem sorgt der heftige Pestizideinsatz für schwerwiegende Gesundheitsschäden bei Landarbeiter:innen.

Echter Wandel: Fütterung mit lokalen Alternativen und Essensresten

Das System rund um Tönnies stützt jedoch auf dem massenhaften Import von Futtermitteln. Wenn wir nur die Flächen in Deutschland für unsere Ernährung zur Verfügung hätten, könnten wir uns die Fleischproduktion in diesem Ausmaß nicht leisten. Statt fragwürdige Nachhaltigkeitsziele und Siegel brauchen wir eine massive Reduktion der Tierzahlen und eine lokale Fütterung – sowohl durch Weidehaltung als auch durch Essensreste, die von Menschen nicht verwertet werden können.

„Unseren Arbeiter:innen werden Pausen erlaubt“

Ausbeutung osteuropäischer Arbeitskräfte

Seit den Skandalen während der Corona-Pandemie ist eins deutlich: Die Arbeitsbedingungen in der Fleisch- und Schlachtindustrie sind katastrophal. Weil Menschen, die eine Alternative haben, niemals freiwillig dort arbeiten wollen, werden tausende von Arbeiter:innen aus Osteuropa mit großzügigen Versprechen nach Deutschland gelockt. Hier werden sie systematisch ausgebeutet und dann wieder ausgetauscht, denn die permanente Arbeitsbelastung hält niemand lange aus.

Befristete Arbeitsverträge und Arbeitsdruck

Wenn Unternehmen sich damit brüsten, dass Arbeiter:innen das Mindestmaß an gesetzlichen Rechten gewährt wird, wird offensichtlich, dass dies meist nicht der Fall ist. Durch befristete Arbeitsverträge und Lohnstrafen für angebliche oder tatsächliche Fehler stehen Arbeiter:innen stetig unter einem enormen Druck – denn bei einer Entlassung ist oft nicht nur die Einkommensquelle, sondern auch die Wohnung weg. Mitarbeiter:innen der Beratungsorganisation ALSO (Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg) berichteten, dass ihnen weiterhin regelmäßig von unerträglichem Druck berichtet wird, von Gewalt am Arbeitsplatz und purer Verzweiflung der Betroffenen..

Die ersten vier der beschriebenen Taktiken basieren auf den Analysen der Webseite www.biglivestockgreenwash.com

Wir bedanken uns sehr bei Feedback, IATP, DeSmog und Feedback EU für weitere Hinweise und die Erlaubnis, ihre Recherchen und  Informationen zu verwenden.

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Tönnies Greenwashing aufgedeckt!